Werden wir Deutschen doch noch zu Kaffee-Experten? Geht es nach Luben Deltchev, dann könnte das so sein.
Der Gründer der Excellentas GmbH aus Hamburg kämpft für die Etablierung von exzellentem Kaffee und möchte seinen Teil dazu beitragen, dass unser Kaffeegenuss deutlich größer als heute wird.
Vom Wachmacher über „To Go“ zum Kaffeegenuss
In den letzten 20 Jahren hat Deutschland in Sachen Kaffee eine erstaunliche Entwicklung genossen. Wurde Kaffee früher lediglich als schneller Wachmacher gesehen, schwappte mit der Etablierung von Starbucks und Co. die Cappuccino- und Latte-Macchiato-Welle voll über uns hinweg. Gefühlt hat noch immer jede zweite Neueröffnung in den Fußgängerzonen „Coffee to go“ im Angebot. Der Umsatz vieler Bäckereien profitiert nach wie vor von diesem Trend.
In letzter Zeit erfolgt jedoch eine Rückbesinnung zum Filterkaffee, auch durch aufkommende sortenreine Spezialitätenkaffees aus ausgewählten Lagen. Auf einmal spielt auch die Art der Zubereitung eine größere Rolle, mit der sich sogar die ARD beschäftigt: Der Glaube an French Press, AeroPress oder Handfilter wird plötzlich zur Quasireligion der Kaffeetrinker.
Kann Kaffee wie Wein sein?
Doch die Rückbesinnung auf Filterkaffee ist Luben Deltchev nicht genug. Er möchte die Kaffeekultur in Deutschland weiterentwickeln und Kaffee auf eine Stufe mit Wein stellen. Dazu macht er mit mir das folgende Gedankenexperiment:
„Stell dir vor, du sitzt mit deiner Frau in einem schicken Restaurant, hältst die Weinkarte in der Hand und suchst den Wein zum Abendessen aus: Meist wird für jeden Wein neben der Rebsorte und der Region ausgeführt, wann die Trauben gelesen und wie sie gepresst wurden sowie welche Aromen man beim Genuss des Weines erwarten kann. Zum Beispiel so:
Frische Beeren, dicke Kirschen, Leder und süße Madagaskar-Vanille – das Aromenspektrum des … ist atemberaubend vielschichtig. Die vollreifen, kleinen Trauben werden besonders schonend vergärt und erreichen so ihr Maximum an Aromen.
Schon beim Lesen sehnst du dich dem Probeschluck entgegen. So wird der Wein zum ganz eigenen Geschmackserlebnis.
Nun ein kleiner Zeitsprung: Das Essen ist vorbei, es war wirklich großartig. Zum Abschluss möchtet ihr euch einen Kaffee bestellen. Eine eigene Kaffeekarte gibt es nicht, im Angebot sind Filterkaffee, Espresso, Cappuccino, Latte Macchiato, Milchkaffee. Verschiedene Sorten? Beschreibung der enthaltenen Aromen? Fehlanzeige!“
Dabei bestünde durchaus die Möglichkeit, mehr aus Kaffee zu machen: Dieser ist nämlich mit ca. 800 bis 900 Aroma-Molekülen neben dem Wein (700 bis 1.000 Moleküle) das vielfältigste Genussprodukt.
Doch nicht jeder Kaffee kann diese Eigenschaften auch entfalten.
Qualität steht über allem
Wie findet man hochwertigen Kaffee? Begriffe wie Gourmet, Feinkost, Premium oder Feinschmecker Kaffee sind leider reine Marketingbegriffe und lassen keinen Rückschluss auf die Qualität zu. Orientierung bieten zum Beispiel die vom Kaffeehandelsverband SCAA („Specialty Coffee Association of America“) entwickelten und weltweit anerkannten Standards für die Verkostung und Bewertung von Kaffee.
Kaffeebohnen werden nach einem Standardprozess geröstet und anschließend nach zehn Kriterien beurteilt:
- Aroma
- Säure
- Körper
- Charakter
- Süße
- Klarheit
- Balance
- Ausgewogenheit
- Abgang
- Gesamteindruck
Jedes Kriterium wird mit maximal zehn Punkten bewertet, und nur ein Kaffee mit einem Wert über 80 Punkten darf sich „Specialty Coffee“ nennen. Ein Kaffee, der mehr als 85 Bewertungspunkte erhält, wird als „exzellenter Kaffee“ bezeichnet. Damit steht dieser Begriff – richtig eingesetzt – für höchste Qualität.
Mit den wahren Spitzenkaffees kommen denn auch viel mehr Informationen als bei gewöhnlichen Kaffees. Sei es zur Herkunft (Region, Klima, Bodenbeschaffenheit) oder zur Art und Weise, in welcher die reifen Kaffeekirschen gepflückt und weiterverarbeitet werden.
Wie schmeckt Spitzenkaffee?
Wer würde nicht gern mal einen besonderen Kaffee ausprobieren, zum Beispiel mit dem Geschmack von weißem Pfirsich oder mit dem Aroma der Teerose? Oder sollen es lieber getrocknete Früchte oder gar Schokolade sein?
Diese und andere Geschmacksrichtungen lassen sich anhand des Kaffee-Aromarads der SCAA ermitteln und werden als Ergebnis des Verkostungsprozesses der SCAA ausgewiesen.
Orientierung in der Vielfalt der geschmacklich hochwertigen Spitzenkaffees bietet der „Cup of Excellence“: Bei diesem hoch angesehenen Verkostungs-Wettbewerb werden die Kaffees fünfmal blind von anerkannten Kaffee-Experten verkostet. Hier werden nur die exzellenten Kaffees (über 85 Bewertungspunkte) prämiert und anschließend versteigert.
Interessanterweise gehen die Spitzenreiter dieser Auktionen nur sehr selten nach Europa, sondern nach Japan, Südkorea, Australien oder in die Vereinigten Staaten. Ein Zeichen, dass die Kaffeekultur in Europa noch ausbaufähig ist.
Der Preis des Kaffees
Guter Kaffee hat natürlich auch seinen Preis. Aber es muss ja nicht gleich Kopi Luwak für 220 Euro pro Kilogramm sein: Luben Deltchev verkauft die Cup of Excellence Gewinnerkaffees zu einem Preis von 13,90 EUR bis 15,90 EUR – pro 250 Gramm.
Exzellenter Kaffee, rechnet er im gleichen Atemzug vor, lässt sich nicht eins zu eins mit Industrie-Kaffee aus dem Supermarkt vergleichen: Selbst eine 100%iger Arabica-Marken-Kaffee ist als gewöhnlich zu bezeichnen, betrachtet man die Geschmackseigenschaften.
Und ein großer Teil der in Europa erhältlichen Cup of Excellence Kaffees mit Preisen zwischen 50 und 150 Euro pro Kilogramm sind meist noch günstiger als populäre „Gourmet-Kaffees“ wie Jamaica Blue Mountain mit 150 und Hawaii-Kona für etwa 100 Euro pro Kilogramm.
Deltchev glaubt daran, dass sich exzellenter Kaffee auch in Deutschland seine Position erobern wird. Auf dass es bald keine Restaurants mehr ohne Kaffeekarte gibt.
Jetzt sind Sie dran: Welchen Kaffee trinken Sie am liebsten? Achten Sie auf Inhaltsstoffe? Aromen? Oder muss Kaffee für Sie nur heiß und stark sein?
Schreiben Sie mir Ihre Meinung in die Kommentare!
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